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Buchrezension: „Altes Land“ von Dörte Hansen

Lesend

Stadt versus Land, Suche nach Heimat, Väter und Söhne, Mütter und Töchter

Inhaltsangabe

In dem bereits 2015 erschienenen Roman „Altes Land“ erzählt Autorin Dörte Hansen zwar auch die Geschichte einer Familie seit dem Zweiten Weltkrieg, doch skizziert sie vor allem die ganz eigene Mentalität der Bewohner der Elbmarsch südlich der Elbe in Hamburg und Niedersachsen. Im Gegensatz dazu stehen die städtischen Hamburger. Vielschichtiger wird das Buch vor allem dadurch, dass deutlich wird, wie viele Generationen noch heute durch das Leid, das durch den Zweiten Weltkrieg verursacht wurde, geprägt werden.

Mehrwert

Literarisch beeindruckend ist aus meiner Sicht, wie gut es Dörte Hansen gelingt, die Atmosphäre, das Lokalkolorit und die Mentalität der speziellen Charaktere durch die schnörkellose Sprache deutlich werden zu lassen. Form und Inhalt werden hier eins. Die Protagonisten zeigen allesamt wenig Gefühle, und genau das spiegelt sich im Sprachstil exzellent wider.

Der Unterschied zwischen Stadt- und Landbewohnern wird so gut herausgearbeitet, dass die Leserin zuweilen ums Schmunzeln nicht herumkommt. Einen starken Eindruck hinterlässt außerdem die Beschreibung des Ausmaßes, in dem die Natur das Leben auf dem Land bestimmt. Als Beispiel sei der Gegensatz genannt, mit dem die Elbe Symbol für einerseits Idylle und andererseits Zerstörungskraft sein kann, abhängig von Witterung und Jahreszeiten.

In Erinnerung wird mir die Geschichte des Buches am ehesten dadurch bleiben, dass die lebenslangen Folgen der Flüchtlingsschicksale aus dem Zweiten Weltkrieg so leise und doch brutal dargestellt werden. Es wird deutlich: Traumata werden über Generationen hinweg weitergegeben. Die Autorin zeigt dies besonders eindrucksvoll an der Gestaltung und Beschreibung der Mutter-Tochter-Beziehungen.

Fazit

Auch wenn eine Familiengeschichte im Vordergrund steht, stellt das Buch für mich eher das Portrait einer Region und ihrer Bewohner, also eine Art Charakterstudie, dar als die Geschichte einer einzelnen Familie. Mir ist das Hineinkommen in den Haupthandlungsstrang zu Beginn recht schwergefallen. Doch weglegen mag man das Buch auch nicht.

Von vielen Seiten hochgelobt, ist „Altes Land“ literarisch sicher sehr gut gelungen. Emotional gepackt hat es mich nicht.

Mein liebstes Zitat:

„… es musste Winter werden, bis Vera Eickhoff sich endlich traute, in ihr Bett zu gehen. Zwei Türen blieben angelehnt in ihrem Haus, zwei Menschen schliefen, eine alte Frau, ein kleiner Junge. Ein Mensch blieb wach und hütete die Träume.

Das Haus stand still.“

Spannend wäre für mich nun die Lektüre weiterer Werke von Dörte Hansen, um noch andere Facetten ihres Schreibstils kennenzulernen.

Angaben zum Buch

Dörte Hansen: Altes Land, Penguin Verlag 2015, 304 Seiten.

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